Echte Kamille - Matricaria recutita


Die anerkannten medizinischen Anwendungen von Zubereitungen aus den Blüten der echten Kamille sind die innerliche Therapie bei Krämpfen im Magen-Darm-Bereich, sowie bei entzündliche Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts.
Äusserliche Verwendung bei bakteriellen Hauterkrankungen, zur Wundbehandlung, bei Erkrankungen im Anal- und Genitalbereich und bei Atemwegsinfekten und Reizzuständen der Luftwege.

Chamomilla recutita (syn. Chamomilla vulgaris, Chrysanthemum suaveolens, Matricaria pusilla, M. chamomilla, M. suaveolens)

Echte Kamille (syn. Deutsche Kamille, Feldkamille, Hermel, Kamille, Kleine Kamille).

Echte Kamille (Matricaria recutita)

Zwei Blüten der echten Kamille

Kamillenblüten mit Biene

VORKOMMEN

Ursprünglich stammt die Kamille aus Vorderasien bzw. Süd- und Osteuropa. Heute ist Matricaria recutita in ganz Europa, sowie in Nordamerika und in Australien anzutreffen. Die hübsche Pflanze ist auf Äckern, Wegrändern und auf Ödland zu finden. Sie kommt bis in die montane Höhenstufe vor. Kultiviert wird die Kamille in Bulgarien, Ungarn, Ägypten und vor allem Argentinien. Der Kamillen-Weltmarkt wird auf jährlich ca. 4500 Tonnen geschätzt. Matricaria recutita ist eine schöne Gartenpflanze und gehört in jeden Naturgarten.

MERKMALE

Die Echte Kamille ist eine einjährige Pflanze. Sie erreicht eine Wuchshöhe von 10 bis 60 cm. Alle Teile der Pflanze besitzen einen charakteristischen Geruch. Die Wurzeln sind dünn und spindelförmig. Die Stängel sind aufrecht und kahl, im oberen Teil sind sie meist stark verzweigt.
Die Laubblätter sind 3 bis 8 cm lang und zwei- bis dreifach fiederteilig. Die einzelnen Zipfel sind schmal, etwa 0,4 mm breit. Sie tragen eine Stachelspitze.
Die Blütenköpfe stehen einzeln und haben einen Durchmesser von 1,5–2,5 cm. Die Zungenblüten sind weiss und 5-10 mm lang. Die Röhrenblüten sind gelb. Der Blütenboden ist kegelförmig und ohne Spreublätter. Die Pflanze blüht von Mai bis September.

DROGEN (verwendete Pflanzenteile)

Matricariae flos - Kamillenblüten, getrocknete, ganze, teilweise oder vollständig zerfallene Blütenkörbchen und kleine Teile der Blütenstiele.

WIRKSTOFFE / INHALTSSTOFFE

Die Droge (Kamillenblüten) enthält 0,3 bis 1,5 % ätherisches Öl. Dieses enthält bis zu 15 % dunkelblaues Chamazulen, das bei der Destillation aus der farblosen Vorstufe Matricin durch Verseifung, Wasserabspaltung und Decarboxylierung entsteht. Kamillenöle mit hohem Chamazulengehalt sind tiefblau gefärbt.
Wesentlicher Bestandteil des Öls ist (-)-a-Bisabolol (INN: Levomenol) und die sauerstoffreicheren Derivate Bisabololoxid A, B, C und Bisabolonoxid A. Bis zu 45 % des ätherischen Öls können aus trans-β-Farnesen bestehen. Im weiteren wurde im Öl das Guajanolid Chamaviolin, das azulenogene Spathulenol und die Sesquiterpene α-Cubeben, α-Muurolen und Calamen gefunden.

Polyine: Analytisch gewonnene Kamillenöle enthalten bis zu 25 % En-In-Dicycloether (auch als Spiroether bezeichnet). Andere Polyine, wie die isomeren Matricaria- und Chamomillaester, sind nur in den Wurzeln und Blättern von Matricaria recutita enthalten.

Cumarine: Die Cumarine Herniarin und Umbelliferon sind in Kamillenblüten durchschnittlich zu 0,06 bzw. 0,01 % enthalten.

Flavonoide: Für die Wirkung der Droge sind Flavonid- und -monoglykoside, acetylierte Flavonmonoglykoside und ihre Aglyka von Bedeutung. Kamillenblüten enthalten durchschnittlich ca. 0,5 % Apigenin-7-glucosid. Neben den hydroxylierten Aglyka, Luteolin und Quercetin, wurden nach Hydrolyse der Glykoside mehrere teilweise höher methoxylierte Flavonaglyka, wie Chrysosplenetin, Jaceidin und Chrysosplenol, identifiziert.

Aromatische Carbonsäuren: Neben Anissäure wurden in der Droge Vanillinsäure, Syringa- und Kaffeesäure identifiziert.

Der Schleimstoffgehalt in der Droge (Polysacharid) beträgt 3 bis 10 %.

Kamille: Inhaltsstoffe

PHARMAKOLOGIE

Die Kamillenblüten haben eine entzündungshemmende Wirkung für die primär (-)-α-Bisabolol, Chamazulen, Chamazulencarbonsäure und die En-In-Dicycloether verantwortlich sind. Die Flavonoide sind an diesem Effekt ebenfalls beteiligt, bei topischer Anwendung aber nur die Aglyka. Angriffspunkte der wirksamen Substanzen sind die Eicosanoidbiosynthese (Hemmung der Cyclooxygenase-2 und Lipoxygenasen) sowie die Mastzelldegranulation (Hemmung der Histaminfreisetzung).

Die krampflösende Wirkung wird von (-)-α-Bisabolol, den Bisaboloiden, den En-In-Dicycloethern und den Flavonoiden verursacht.

Die Hemmung der Magensäure durch Kamillenblüten (ulkusprotektiven Wirkung) wird durch Komponenten des ätherischen Öls ausgelöst, besonders durch (-)-α-Bisabolol und Chamazulen.

Die Inhaltsstoffe (-)-α-Bisabolol und die En-In-Dicycloether besitzen auch bakteriostatische und fungistatische Wirkung.

ANWENDUNG

Anerkannte medizinische Anwendungen:

ESCOP und Kommission E:

Innerlich:

  • Krämpfe im Magen-Darm-Bereich
  • entzündliche Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts (z.B. bei Gastritis oder Magengeschwüren)

äusserlich:

  • zur Wundbehandlung bei oberflächlichen Hautverletzungen, Ulcus cruris, Dekubitus, Verbrennungen, Operationswunden, Bestrahlungsschäden, Sonnenbrand, Frostbeulen.
  • Erkrankungen im Anal- und Genitalbereich (Bäder, Spülungen).
  • Atemwegsinfekte und Reizzustände der Luftwege (Inhalationen).

Blüten und Öl wurden vom HMPC als traditionelle pflanzliche Arzneimittel eingestuft.

Die Kamillenblüten haben einen charakteristischen, angenehmen Duft. Primär werden sie als Entzündungshemmer, zur Krampflösung, gegen Blähungen und als Magenmittel eingesetzt.

Äusserliche Anwendung findet die Droge bei Haut- und Schleimhautentzündungen (Mundhöhle und Zahnfleisch) und bei bakteriellen Hauterkrankungen.

Kamille soll nicht im Augenbereich angewendet werden, denn Kamille kann auf die Augen reizend wirken.

ZUBEREITUNG UND DOSIERUNG

Teebereitung: Ein Esslöffel Kamillenblüten (= ca. 3-4 g) wird mit heissem Wasser (ca. 150 mL = 1 Tasse) übergossen. Nach 5 bis 10 Minuten wird durch ein Teesieb filtriert. Beim Teeaufguss verbleiben bis zu 70 % des ätherischen Öls und der nichtflüchtigen Bestandteile im Rückstand. Die Anwendung von standardisierten Fertigpräparaten ist deshalb empfehlenswert.

In Iberogast® ist neben der Bitteren Schleifenblume, Engelwurz, Kümmel, Mariendistel, Melissen, Pfefferminze, Schöllkraut, Süssholz auch die Kamille enthalten.

STATUS

HOMÖOPATHIE

Chamomilla recutita HAB1, die frische, ganze, blühende Pflanze.
Anwendungsgebiet: Erkrankungen der Atemwege, Entzündungen und krampfartige Beschwerden der Verdauungsorgane.

KAMILLE IM GARTEN

Die Kamille ist eine Pflanze deren Anbau absolut unkompliziert ist. Sie ist eine sonnenliebende Heilpflanze. Im Garten erfolgt der Anbau bevorzugt auf Schwarzerde-, Aue- und sandigen Lehmböden; sie wächst jedoch auch mit geringerem Ertrag auf Braunerde und Sandböden. Der pH-Wert des Bodens sollte im leicht sauren bis alkalischen pH-Bereich liegen. Auf sauren Böden nimmt Echte Kamille verstärkt Schwermetalle wie beispielsweise Cadmium auf, das sich in den Stängeln, aber auch den Blüten anreichert. Der Anbau erfolgt durch Direktaussaat, die im Herbst unter Überwinterung der Pflanzen im Jungpflanzenstadium oder im Frühjahr erfolgen kann. Einmal angesiedelt vermehrt sich die Kamille durch Selbstaussaat. Geeignete Begleiter im Garten sind z.B. Mohn, Schafgarbe, Johanniskraut, Schwarzkümmel, Wegwarte und Steinklee. Für die Pflege der Kamille gibt es keine besonderen Empfehlungen. Als Topfpflanze will sie in der Hauptsache regelmässig gegossen werden.

Mehrere Kamillenpflanzen

SONSTIGES

Die Kamille ist eine alte Heilpflanze, die vor allem bei Magen- und Darmbeschwerden sowie bei Entzündungen Verwendung findet. Matricaria recutita wurde vom Verband Deutscher Drogisten (VDD) im Jahre 1987 zur ersten Arzneipflanze des Jahres gekürt. Ausserdem wählte man sie zur Heilpflanze des Jahres 2002.

Letzte Änderung: 24.02.2024 / © W. Arnold