Kava - Piper methysticum


Die häufigste Anwendung findet der Kavawurzelstock bei Angst-, Spannungs- und Unruhezuständen und zur Verbesserung der allgemeinen Befindlichkeit. Wegen einiger weniger (fragwürdiger) Fälle von Lebertoxizität wurde die Zulassung entsprechender Präparate in der Schweiz im Jahr 2003 aufgehoben. Zur Zeit sind keine Phytopharmaka mehr im Handel.

Piper methysticum (syn. Macropiper latifolium, M. methysticum, Piper inebrians);
Rauschpfeffer (syn. Kawapfeffer, Kawa, Kava, Polynesischer Pfeffer).

Kava (Piper methysticum) mit Blütenstand
Von Forest & Kim Starr, CC BY 3.0, Link 

VORKOMMEN [1,4]

Die ursprüngliche Heimat der Kavapflanze ist unbekannt; man vermutet sie auf Neuguinea oder auf den Neuen Hebriden.
Durch die Polynesier verbreitete sich die Pflanze bis hin zu den Hawaii-Inseln. Wildpflanzen sind keine bekannt, man kennt ausschliesslich Kultursorten, und diese dann in grosser Mannigfaltigkeit. Die Suche nach der Wildform der Kavapflanze hat in den letzten Jahren eine neue Wende genommen. Anscheinend haben sich die sterilen Kultivare von Piper methysticum aus Pflanzen entwickelt, die unter einem anderen Artnamen als Piper wichmannii botanisch beschrieben wurden. Im Habitus sind sich die beiden Arten zum Verwechseln ähnlich. Auch sind beide Arten diözisch. Ein Unterschied besteht darin, dass Piper wichmannii fertil (fortpflanzungsfähig) ist.

Auf vielen pazifischen Inseln wird der Rauschpfeffer zwischen nördlichem und südlichem Wendekreis und in Neuguinea kultiviert. Die Kulturen der zahlreichen morphologisch und phytochemisch unterschiedlichen Sippen können leicht im Stande gehalten werden, da die Pflanzen ausschliesslich vegetativ vermehrt werden.

MERKMALE [1,4]

Die Pflanze ist mit dem uns bekannten Schwarzen Pfeffer verwandt. Sie ähnelt diesem sowohl im Habitus als auch im pfefferartigen Geschmack. Die Pflanze ist ein aufrechter, 2 bis 3 m hoher, diözischer (getrenntgeschlechtiger) Busch. Die Blätter sind gross (etwa 25 cm), mit tief-herzförmigem Grund und 9 bis 13 Hauptnerven, die unterseits schwach flaumig behaart sind.

Es sind zahlreiche kleine Blüten in ährenartigem Blütenstand von 3 bis 9 cm Länge vorhanden. Es blühen nur die Blütenstände männlicher Pflanzen. Der Rauschpfeffer hat mächtige, 2 bis 10 kg schwere, verästelte, sehr saftige Wurzelstöcke mit vielen Wurzeln.

DROGEN (verwendete Pflanzenteile) [3]

Kava-Kava rhizoma (Piperis methystici rhizoma, Rhizoma Kavae); Kavawurzelstock (syn. Kava-Kava-Rhizom, Rauschpfeffer), normalerweise der geschälte und zerschnittene, meist von den Wurzeln befreite, getrocknete Wurzelstock.

WIRKSTOFFE / INHALTSSTOFFE [1,2,4]

Kavalactone:
Häufig über 5 % Gesamtkavalactone, mit 1,8 % Kavain, 1,2 % Methysticin, 1 % Desmethoxyyangonin, 1 % Yangonin, 0,6 % Dihydrokavain, 0,5 % Dihydromethysticin, Dihydrokavain-5-ol, 11,12-Dimethoxydihydrokavain, 11-Hydroxy-12-methoxykavain, 11-Methoxy-nor-yangonin und 11-Methoxyyangonin.

Kavalactone (Kavain, Methysticin, Yangonin

Chalcone: Die Chalconpigmente Flavokavin A und B

Flavokavin A und B

Amide: 2-Methoxyzimtsäurepyrrolidid und Zimtsäurepyrrolidid

Freie aromatische und aliphatische Säuren:
Ca. 0,01 % freie Säuren mit Anissäure, Benzoesäure und Benzoesäurederivaten, Capronsäure, Hydroxyzimtsäure, drei Hydroxyzimtsäurederivaten, 4-Oxo-n-nonansäure, Phenylessigsäure und p-Methoxyphenylessigsäure, Zimtsäure und drei Zimtsäurederivaten.

Weitere Inhaltsstoffe: Stärke (43 %), Rohfaser (20 %), Wasser (12 %), Zucker (3,2 %), Proteine (3,6 %) und Mineralstoffe (3,2 %).

PHARMAKOLOGIE

Die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe von Piper methysticum sind die Kavalactone.

Die Kavalactone wurden ausführlich bezüglich des pharmakologischen Wirkprofils und Wirkungsmechanismus experimentell untersucht. Sie wirken in ihrer Gesamtheit (Mischungen von Kavapyronen verbessern die Bioverfügbarkeit der Einzelpyrone) und unterscheiden sich nur quantitativ in der Wirkungsstärke, in der Plasmahalbwertszeit und ihrer Pharmakokinetik.

Den Rauschpfeffer-Zubereitungen werden folgende Effekte zugeschrieben:

  • psychoaktiv
  • angstlösend
  • beruhigend
  • relaxierend
  • hypnotisch
  • muskelentspannend
  • lokalanästhetisch und krampflösend

Das Wirkspektrum ist somit ähnlich wie jenes der Benzodiazepine.

Der Mechanismus hinter den psychotropen, sedativen und anxiolytischen (siehe auch Passionsblume) Wirkungen von Kavain und verwandten Kavalaktonen ist noch umstritten. Die direkte Bindung an die Benzodiazepin- / Flumazenil-Bindungsstelle des GABAA-Rezeptors tritt bei Kavain-Enantiomeren nicht auf [5]. Viele Studien betrafen Kava-Extrakte aus verschiedenen Pflanzenteilen und sind daher nicht auf Kavain selbst anwendbar. 2016 konnte gezeigt werden, dass Kavain an den α4β2δ-GABAA-Rezeptor bindet und die Wirksamkeit von GABA verstärkt [6].

Zur Wirksamkeit von Kava-Extrakten (60-120 mg Kavapyrone; Auszugsmittel Ethanol bzw. Aceton) am Menschen liegen 7 kontrollierte Studien vor [2]. Diese Studien belegen das besondere neurophysiologische Wirkprofil und die für Anxiolytika typischen EEG-Veränderungen mit einem deutlichen Unterschied zu den Benzodiazepinen.

In weiteren randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudien mit definierter Indikation konnte eine signifikante Wirksamkeit bei Patienten mit Angst-, Spannungs- und Unruhezuständen nichtpsychotischer Genese gegenüber Placebo belegt werden [2,7].

In einer Studie an Mäusen über 7 Wochen wurde keine Toleranzentwicklung bobachtet, hingegen wurde eine starke Wechselwirkung mit Ethanol (Schlafverlängerung, gesteigerter Mortalität infolge gegenseitiger Toxizitätsverstärkung) festgestellt [1].

ANWENDUNG

Angaben der Kommission E (1990):

Anwendungsgebiete: Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände.
Gegenanzeigen: Schwangerschaft, Stillzeit, endogene Depressionen.
Nebenwirkungen: Keine bekannt,
Hinweis:
Bei länger dauernder Einnahme kann es zu einer vorübergehenden Gelbfärbung der Haut und Hautanhangsgebilde kommen. In diesem Fall ist von einer weiteren Einnahme dieses Medikaments abzusehen. In seltenen Fällen können allergische Hautreaktionen auftreten. Weiterhin werden Akkommodationsstörungen, Pupillenerweiterungen sowie Störungen des okulomotorischen Gleichgewichts beschrieben.
Wechselwirkungen mit anderen Mitteln:
Eine Wirkungsverstärkung von zentral wirksamen Substanzen wie Alkohol, Barbiturate und Psychopharmaka ist möglich.
Dosierung: Soweit nicht anders verordnet:
Tagesdosis: Droge und Zubereitungen entsprechend 60-120 mg Kava-Pyronen.
Art der Anwendung: Zerkleinerte Droge sowie andere galenische Zubereitungen zum Einnehmen.
Dauer der Anwendung: Ohne ärztlichen Rat nicht länger als 3 Monate.
Hinweis: Dieses Arzneimittel kann auch bei bestimmungsgemässem Gebrauch die Sehleistung und das Reaktionsvermögen im Strassenverkehr oder bei der Bedienung von Maschinen beeinflussen.
Wirkungen: Anxiolytisch. Tierexperimentell wurde eine narkosepotenzierende (sedierende), antikonvulsive, spasmolytische und eine zentral muskelrelaxierende Wirkung beschrieben.

Volkstümliche Anwendungen und andere Anwendungsgebiete
Rauschpfeffer-Getränke werden vor allem im Südseeraum angewendet zur Nervenberuhigung, Schlafförderung und als Psychostimulans. Auch bei Asthma, Rheuma, zur Gewichtsabnahme, zur Vermehrung der Harnabsonderung, bei Magenbeschwerden, bei chronischer Zystitis, Syphilis und Gonorrhoe wird die Droge verwendet. Rauschpfeffer wird traditionell in vielen Kulturen des westpazifischen Raumes konsumiert, so zum Beispiel in Polynesien, Vanuatu, Melanesien und Teilen von Micronesien und Australien. Die Droge wird auch in vielen westlichen Kulturen als Medizin oder als Genussmittel konsumiert.

KONTROVERSE UM LEBERSCHÄDEN

In Deutschland erfolgte im Juni 2002 seitens des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) der Widerruf der Zulassung von Kava- und Kavain enthaltenden Arzneimitteln.

Erwartungsgemäss gab es kritische Stimmen zur Entscheidung des BfArM. Mitglieder der das BfArM beratenden Kommission E protestierten; sie bewerteten die therapeutische Wirksamkeit und das Nutzen-Risiko-Verhältnis der (aus dem Rhizom gewonnenen) Kava-Arzneimittel positiv und sahen keine Gefahr im Verzug. Die Ursache für die eingetretenen Leberschädigungen in früheren Studien basiere auf Überdosierungen und einer zu langen Einnahmedauer, durch vorher bestehende Erkrankungen oder mögliche Verunreinigungen durch Aflatoxine oder andere leberschädigende Mykotoxine; nur in sehr wenigen Einzelfällen sei bei ordnungsgemässer Behandlung mit Kava ein kausaler Zusammenhang zu Leberschädigungen als wahrscheinlich einzustufen [8,9].

Eine Vergiftung durch synthetische Enantiomere könnte ebenfalls eine mögliche Ursache sein, wie eine 2011 veröffentlichte Dissertation zeigt [10]. Die in Deutschland hergestellten Medikamente (wie z. B. das Arzneimittel Laitan) enthielten nicht nur natürliche Stoffe, sondern aus Kostengründen auch synthetisiertes Kavain. Künstlich produziertes Kavain ist eine racemische Mischung aus (+)-Kavain und (-)-Kavain (auch als DL-Kavain bezeichnet). Die Kava-Pflanze enthält nur (+)-Kavain. In der Arbeit wurde gezeigt, dass (-)-Kavain zu gesundheitsschädlichen para-Hydroxy-Verbindungen abgebaut wird. Dies würde erklären, warum hepatotoxische Fälle hauptsächlich im deutschsprachigen Raum aufgetreten sind, während die Hepatotoxizität im pazifischen Raum so gut wie unbekannt ist. Auch die bisherigen Unterschiede zur Hepatotoxizität in der wissenschaftlichen Literatur könnten verständlich werden, da die Autoren nicht explizit angeben, ob das untersuchte Kavain synthetisch ist oder aus der Kava-Pflanze stammt.

In Deutschland hat im Jahr 2014 hat ein Gericht verfügt, den Verkauf von Kava-Produkten unter strengeren Bedingungen wieder zuzulassen. Der Grund: nach Meinung der Richter sind die Beweise zu schwach, dass der Rauschpfeffer tatsächlich die berichteten Leberschädigungen verursacht haben [11].

Die Arzneimittelbehörde der Schweiz (Swissmedic) hat sich dem Vorgehen von Deutschland nicht angeschlossen, Kava-Präparate sind in der Schweiz weiterhin nicht zugelassen (ausser homöopathischen Arzneimitteln ab D6). In den USA ist Kava frei erhältlich, wie auch in den meisten Teilen Australiens.

Das Kava-Verbot ist bei Phytopharmaka-Experten und pharmazeutischen Unternehmen umstritten und die Frage nach der Lebertoxizität immer noch Gegenstand von Diskussionen [14].

ZUBEREITUNG UND DOSIERUNG

Laut BfArM (2015) soll die maximale Tagesdosis 120 mg Kavapyrone nicht überschreiten; eine Packung darf maximal 30 Einzeldosen enthalten.
Die übliche Behandlungsdauer liegt bei einem Monat und darf auf maximal zwei Monate ausgeweitet werden. Vor Beginn der Einnahme und einmal wöchentlich während der Behandlung müssen die Leberwerte GPT und γ-GT bestimmt werden.

STATUS

HOMÖOPATHIE

Piper methysticum HAB; Rauschpfeffer, der getrocknete Wurzelstock mit den anhängenden Wurzeln. Anwendungsgebiete: Erkrankungen des Zentralnervensystems, des arteriellen Gefässsystems, des Magen-Darm-Traktes, der Nieren und ableitenden Harnwege sowie der Haut.

SONSTIGES

Der Rauschpfeffer dient seit langer Zeit den Ureinwohnern der Südseeinseln zur Bereitung eines Getränks und spielt seit jeher im religiösen, politischen und gesellschaftlichen Leben eine grosse Rolle. Das Kava-Getränk soll Wohlbefinden, Friedfertigkeit und Entspannung induzieren, ohne das Bewusstsein und die Denkfähigkeit zu beeinflussen.. Als erste Europäer berichten James Cook und Johann Georg Forster 1777 von der Droge und ihren Eigenschaften. Heute ist die Droge ein wichtiges Phytotherapeutikum, das gern als Tranquilizer der Natur bezeichnet wird. Der lateinische Gattungsname Piper stellt eine Verstümmelung des Sanskritwortes pippali dar; methysticum entspricht dem griechischen methyskomai (sich berauschen).

Letzte Änderung: 22.04.2024 / © W. Arnold