Mistel - Viscum album

Die anerkannte medizinische Anwendung der Mistel ist die Behandlung zur Segmenttherapie bei degenerativ entzündlichen Gelenkerkrankungen durch Auslösung cuti-visceraler Reflexe nach Setzen lokaler Entzündungen durch intracutane Injektionen. Zur Palliativtherapie im Sinne einer unspezifischen Reiztherapie bei malignen Tumoren. Die Behandlung gehört in die Hände erfahrener Ärzte und Ärztinnen. Trotz langjähriger Anwendung und Forschung ist nicht belegt, dass Mistelpräparate das Tumorwachstum hemmen oder gar Krebspatienten heilen können.

Mistel (Syn. Laubholz-Mistel, Affolter, Drudenfuss, Elfklatte, Geisskrut, Hexenbesen, Hexenkrut, Hexennest, Immergrüne, Marentaken, Mischgle, Mischgelt, Mistelsenker, Nistle, Vogelchrut, Vogelkläb, Vogellim, Vogelmistel, Wintergrün, Wispel, Wispen).

Dem Namen nach wird die Mistel oft mit der Mispel verwechselt.

Mistel - Viscum album

weitere Bilder:

Mehrere Mistelzweige (Viscum album) Mistel mit Beeren Mistel auf Baumast Mistelzweig mit Beeren

VORKOMMEN

Das Verbreitungsgebiet der Weissbeerigen Mistel sind die wintermilden Regionen Südskandinaviens sowie Mittel- und Südeuropas. Dort wächst sie zerstreut auf Laubbäumen wie z. B. verschiedenen Obstbaumarten, Linden, Ahorn oder Weissdorn bevorzugt an basenreichen Standorten.

MERKMALE

Viscum album ist ein immergrüner Halbschmarotzer, der auf den Ästen von Laubbäumen sitzt und Wasser und darin gelöste Mineralsalze aus deren Holzteil entzieht. Im Laufe der Jahre wachsen die Pflanzen häufig zu kugeligen Büscheln heran, die bis zu einem Meter Durchmesser erreichen können. An den Enden der gleichmässig gabelig verzweigten Sprosse der Pflanze sitzen die lederigen Blätter, die mehrjährig oder einjährig sein können. Die eingeschlechtlichen unscheinbaren Blüten sitzen in der Gabel zwischen den Zweigen. Die Früchte von Viscum album sind weisse, ein- bis zweisamige runde Scheinbeeren. Je Samen bilden sich bis zu 3-4 grüne Embryonen aus. Die Samen sind von einem zähen, schleimig klebrigen Fruchtfleisch umgeben, wodurch die Verbreitung der Pflanze durch Vögel (Verdauungsverbreitung) ermöglicht wird. Die Blütezeit dauert von Juni bis September.
Zeichnung eines Mistelzweiges
Nach der Bindung an unterschiedliche Wirtsbaumarten werden innerhalb der Art Viscum album mehrere Unterarten oder "Wirtsrassen" unterschieden:

  • Laubholz-Mistel (Viscum album subsp. album; synonym Viscum album)
  • Tannen-Mistel (Viscum album subsp. abietis; synonym Viscum abietis)
  • Kiefern-Mistel (Viscum album subsp. austriacum; synonym Viscum laxum)

DROGEN (verwendete Pflanzenteile)

Visci albi herba (syn. Herba Albi visci, Herba Visci, Herba Visci albi, Visci herba); Mistelkraut, die vor der Fruchtbildung gesammelten Blätter und Zweige.

WIRKSTOFFE / INHALTSSTOFFE

Bestimmende Inhaltsstoffe sind die Lektine (Proteine mit spezifischem Bindungsvermögen für bestimmte Kohlenhydrat-Epitope, wie z.B. auf Zelloberflächen, wodurch biochemische Reaktionen möglich sind). Am besten untersucht sind die Mistellektine I bis III.

Im weiteren sind Viscotoxine (toxische Polypeptide aus 46 Aminosäuren), auch in den Beeren enthalten.
Viscotoxin B
Wasserlösliche Polysaccharide, biogene Amine, Flavonoide, Phnenylpropane, Lignane, Cyclitole wie Viscumitol und Phenolcarbonsäuren wurden gefunden. Das Flavonoid-Muster kann zur Differenzierung der Unterarten dienen.

TOXIKOLOGIE

Die ganze Pflanze gilt als giftig oder weniger giftig. Am giftigsten sind die Misteln von Ahorn, Linde, Walnuss, Pappel und Robinie, am wenigsten giftig die vom Apfelbaum.

Der höchste Gehalt am Lektinen wurde im Winter in den Blütenknospen und in den Früchten festgestellt; die Werte in den Zweigen stiegen im Herbst und Winter nur wenig an, während sie sich in den Blättern erhöhte.

ANWENDUNG

Anerkannte medizinische Anwendung (Kommission E):

  • Anwendungsgebiete: Zur Segmenttherapie bei degenerativ entzündlichen Gelenkerkrankungen durch Auslösung cuti-visceraler Reflexe nach Setzen lokaler Entzündungen durch intracutane Injektionen. Zur Palliativtherapie im Sinne einer unspezifischen Reiztherapie bei malignen Tumoren.
  • Gegenanzeigen: Eiweiss-Überempfindlichkeit, chronisch-progrediente Infektionen (z.B. Tbc).
  • Nebenwirkungen: Schüttelfrost, hohes Fieber, Kopfschmerzen, pektanginöse Beschwerden, orthostatische Kreislaufstörungen und allergische Reaktionen.
  • Wirkungen: Bei intracutaner Injektion entstehen lokale Entzündungen, die bis zur Nekrose fortschreiten können. Im Tierversuch zytostatisch, unspezifisch immunstimulierend.
  • Art der Anwendung: Frischpflanze, Schnitt- oder Pulverdroge zur Herstellung von Injektionslösungen.
  • Hinweis: Die blutdrucksenkenden Wirkungen und die therapeutische Wirksamkeit bei milden Formen der Hypertonie (Grenzwerthypertonie) bedürfen einer Überprüfung.

HMPC: Nach Überprüfung der Datenlage zur Misteltherapie bei Krebsleiden kam das HMPC zu dem Ergebnis, dass Mistelkraut weder als „medizinisch allgemein anerkannt“ („well-established use“) noch als „Traditionelles Arzneimittel“ eingestuft werden kann.

Volksmedizinische Verwendung

Zur Anwendung werden traditionell Misteltee oder auch entsprechende Fertigpräparate mit Mistelextrakten zur Unterstützung des Kreislaufs bei Neigung zu Hypertonie und zur Arterioskleroseprophylaxe eingenommen. Bisher liegt aber kein ausreichender Nachweis für die Wirksamkeit bei diesen Indikationen vor. Nur nach intravenöser Injektion kann ein vorübergehender Blutdruckabfall festgestellt werden, der auf die biogenen Amine zurückgeführt wird.

Hiervon abzugrenzen sind Präparate aus frischem Mistelkraut, die man zeitweise intrakutan zur Segment-Therapie u. a. bei entzündlich-degenerativen Gelenkerkrankungen, Arthrosen sowie Bandscheibenerkrankungen heranzog. Ausgelöst durch die Viscotoxine kommt es am Injektionsort zu lokalen Entzündungen, die eine Aktivierung der zellulären Immunabwehr zur Folge haben.

Trotz langjähriger Anwendung und Forschung ist nicht belegt, dass Mistelpräparate das Tumorwachstum hemmen oder gar Krebspatienten heilen können. Bei Brustkrebspatientinnen, die eine Mistelbehandlung parallel zu einer Chemotherapie erhielten, konnte eine Verbesserung der Lebensqualität beobachtet werden.

Nach kritischer Bewertung publizierter Studien und Metaanalysen ist der wissenschaftliche Nachweis der Wirksamkeit von standartisierten Extrakten umstritten. Invitro-Effekte sowie positive Effekte in Tierversuchen sind für einen Nachweis der Wirksamkeit nicht ausreichend.

ZUBEREITUNG UND DOSIERUNG

In Fertigarzneimitteln zur Langzeitbehandlung von Hypertonie. Gegen Arteriosklerose wird die Mistel als Fertigarzeimittel gerne in Kombination mit Weissdorn und Knoblauch angeboten.

STATUS

HOMÖOPATHIE

Viscum album HAB 1; Mistel, die frischen, im Herbst geernteten, beblätterten Sprosse und Früchte.
Anwendungsgebiet: Erkrankungen des arteriellen Gefässsystems, des Herzens, der Atemwege und Bewegungsapparates.

MISTEL IM GARTEN

Da viscum album selbst nicht angebaut werden kann, bringt man die Samen auf Wirtspflanzen aus. Bislang ist die Anzucht des Halbschmarotzers auf Apfelbäumen, Pappeln und Ulmen gelungen. Eine erfolgsversprechende Ansiedlung auf einen Gartenbaum ist in erster Linie von der Abstammung der Mistelsamen abhängig.

Die samenhaltigen Beeren werden auf den Ästen der Wirtsbäume – bevorzugt den Astunterseiten – zerdrückt und beginnen nach Abtrocknen im März/April zu keimen. Die Mistel wächst langsam; innerhalb von 5 bis 6 Jahren wird ein Strauchdurchmesser von ca. 30 cm erreicht.

Ich habe es bisher in meinem Garten auf Weiden, Weissdorn, Mehlbeere und Sanddorn versucht - bisher hatte ich aber keinen Erfolg.

11.2014 : Endlich ist eine kleine Mistel auf einem Weissdorn gekeimt - nach unzähligen Versuchen.

08.2017: Die Mistel ist plötzlich eingegeangen. Nach einer deutlichen Ausstülpung am Stamm des Weissdorns hat dieser wohl den "Halbschmarotzer" abgestossen.

Mistelkeimling auf Weissdorn

SONSTIGES

Viscum album war schon in der Mythologie des Altertums bekannt und wurde von den gallischen Priestern, den Druiden, als Heilmittel und zu kultischen Handlungen benutzt. Keltischen Priestern galten besonders die seltenen Exemplare, die auf Eichen wuchsen als heilig. Sie galt nicht nur als Wunderpflanze gegen Krankheiten, sondern wurde auch als Heiligtum verehrt, als Zeichen des immerwährenden Lebens und war für Kelten und Germanen ein Fruchtbarkeitssymbol. Die Germanen glaubten, dass die Götter die Mistelsamen in die Bäume streuten, sie also ein Geschenk des Himmels wären.

Ein Baum mit Misteln

Letzte Änderung: 05.05.2021 / © W. Arnold